Die Sparkasse Göttingen muss sich am Haushalt 25/26 beteiligen - Antrag für die Ratssitzung am 15.11.2024
Die Göttinger Linke Ratsfraktion fordert den Rat auf, politische Beschlüsse und Weisungen zu erteilen, damit aus den Gewinnen der Sparkasse Göttingen endlich ein angemessener Anteil in den Haushalt von Stadt und Landkreis einfließt. Die aktuelle Praxis der Sparkasse ist eine Ausschüttung von Geldern im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung im kulturellen, sozialen und sportlichen Bereich - jedoch erfolgt dies im Wohlwollen der Sparkasse und nicht unter ratspolitischer Kontrolle.
„Während Rat und Verwaltung im städtischen Haushalt nach möglichen Einsparungen suchen, wird die Sparkasse als wertvollstes Vermögen der Stadt nicht genutzt – obwohl ihre Gewinnausschüttungen der Allgemeinheit zugutekommen könnten,“ betont der finanzpolitische Sprecher der Göttinger Linke Ratsfraktion Torsten Wucherpfennig. „In den vergangenen Jahren fehlte der politische Wille und wir fragen uns: Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fügt er bezugnehmend auf das kommende Haushaltsdefizit hinzu.
„Inflationsbedingte Mehrbedarfe bringen viele gesellschaftlich wichtige Initiativen an ihre Grenzen. Eine Gewinnausschüttung der Sparkasse würde helfen, stadtrelevante Projekte durch demokratisch kontrollierte Mittel zu sichern, anstatt auf intransparente Spenden angewiesen zu sein“, erklärt die sozialpolitische Sprecherin Nornia Marcinkiewicz. „Wir sind dankbar, dass im Haushaltsentwurf Mittel für freiwillige Leistungen bestehen bleiben, jedoch reicht die Unterstützung für soziales und kulturelles Engagement nicht aus, um gestiegene Kosten aufzufangen“, betont sie.
In Zukunft könnten die Gewinne der Sparkasse gezielt in Projekte fließen, die den Alltag aller Göttinger*innen unmittelbar verbessern. So ließen sich beispielsweise Maßnahmen wie ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr realisieren - ein wegweisender Beitrag zum Umweltschutz und zur sozialen Gerechtigkeit. Nicht nur der Einzelhandel würde davon profitieren: durch Reduzierung des Parkverkehrs kommt es zu einer erwartenden Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt - ein starker Beitrag zum Gelingen der Mobilitätswende.
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Der Rat möge beschließen:
Die Göttinger Linke Ratsfraktion fordert den Rat auf, die Beschlüsse zu fassen und die Weisungen zu erteilen, damit aus den Gewinnen der Sparkasse Göttingen endlich ein angemessener Anteil (beispielsweise ein Drittel) in den Haushalt von Stadt und Landkreis einfließt.
Begründung:
Den Veröffentlichungen der Sparkasse ist zu entnehmen, dass das Betriebsergebnis im Jahr 2023 sich mit 48 Millionen Euro erneut auf sehr hohem Niveau bewegt. Bekanntlich sind die zwischen Betriebsergebnis und Jahresüberschuss folgenden Bewertungen in der Höhe fraglich und zumeist zusätzliche Reservebildungen, die steuerlich nicht anerkannt werden. Öffentliche Diskussionen dazu fanden schon in etlichen Kommunen statt. Seit vielen Jahren fordert die Fraktion der Göttinger Linken Ausschüttungen der Sparkasse zu Gunsten des städtischen Haushalts und somit mittelbar zu Gunsten der Bürger*innen von Stadt und Landkreis.
Mit einer Bilanzsumme zum Ende des Jahres 2022 von fast 5 Milliarden Euro hat sich die Sparkasse Göttingen auf Platz 98 von 361 Sparkassen in Deutschland vorgeschoben1. Nach dem Offenlegungsbericht 2022 beträgt das so definierte „Harte Kernkapital“ mittlerweile über 317 Millionen Euro oder 10,6%. Dies liegt deutlich über den notwendigen Werten, von einer Eigenmittelschwäche kann schon lange keine Rede mehr sein. Seit etlichen Jahren werden hier kontinuierlich zweistellige Millionenbeträge zugeführt.
Es sind einige Medienbeiträge und (teils auch wissenschaftliche) Publikationen verfügbar, die ganz überwiegend mehrere Kernpunkte zum Vorgehen der Sparkassen einheitlich beschreiben:
- Ausschüttungen liegen – wenn sie überhaupt erfolgen – in der Regel gemessen an dem möglichen Potential eher niedrig.
- Die Kommunen fordern in der Regel wenig von ihren Sparkassen, sie nehmen auch in politischer Hinsicht wenig Einfluss. Möglichkeiten werden nicht genutzt, bzw. versäumt.
- Die Vorstände erhalten eine nennenswerte, erfolgsabhängige Vergütung. Diese fällt dauerhaft höher aus, wenn keine Ausschüttungen erfolgen. Das Vergütungssystem steht dem Allgemeinwohl mindestens in Teilen entgegen.
Immer mehr Sparkassen haben dennoch in den vergangenen Jahren begonnen, Ausschüttungen eines Gewinnanteils an ihre Träger zu leisten. Die Sparkasse Göttingen sollte nun endlich auch dazu übergehen. Immer wieder haben wir im Zusammenhang mit dem Thema hingewiesen, dass verschiedene Landesrechnungshöfe (nicht zuletzt der Niedersächsische) den Umgang der Kommunen mit ihren Sparkassen kritisiert. Die Kritik beinhaltet den oft sehr passiven Umgang mit dem in der Regel größten Vermögenswert einer Kommune, sowie die mangelnde Einforderung angemessener Ausschüttungen. Ebenso hat die Bundesbank mehrfach die Ausschüttungsfähigkeit der Sparkassen bestätigt. Auch wenn die Zahlen fraglos nur bedingt so nebeneinandergestellt werden können, möchten wir dem Rat und der Öffentlichkeit vor Augen halten: Das Kernkapital der Sparkasse Göttingen ist etwa doppelt so hoch wie die Gesamtverschuldung der Stadt inklusive der Konzernfinanzierung der Tochtergesellschaften wie der Städtischen Wohnungsbau und aller anderen.
In der Diskussion wurde in der Vergangenheit entgegnet, dass die Sparkasse als „Bank der kleinen Leute“ quasi ihre Taler zusammenhalten muss, um ein gutes Angebot zu bieten. Hierzu möchten wir darauf hinweisen, dass in den jüngsten Filialschließungen der Sparkasse keine Kreativität erkennbar war, um beispielsweise durch Kooperationen die „Bank der kleinen Leute“ vor Ort zu erhalten. Im Übrigen fragen wir uns, warum die Städtische Wohnungsbau als „Vermieter der kleinen Leute“ wiederum einen Ausschüttungsanteil an die Sparkasse leisten muss und warum auch diese dann noch in die Rücklagen der Sparkasse fließt.
Die Spenden- und Sponsoring-Aktivitäten der Sparkasse in sechsstelliger Höhe ersetzen dabei eine Ausschüttung keinesfalls. Einerseits sind dies oftmals intransparente und letztlich unkontrollierte Aktivitäten, die einer gewissen Gutsherrenart entsprechen. Andererseits tragen sie oft auch vornehmlich Werbecharakter.
Ein Argument gegen Ausschüttungen in der Vergangenheit war auch, dass bei einer Ausschüttung Ertragssteuer fällig wird. Vor einer Wiederholung dieses Argumentes möchten wir nochmals warnen. Wenn im Rat der Stadt Göttingen öffentlich verkündet wird, dass Steuerzahlungen zu vermeiden sind, braucht man sich über mangelnde Zahlungsbereitschaft der Bürger*innen nicht zu beschweren. Welcher Eindruck entsteht hier berechtigterweise?
Insgesamt ist es somit an der Zeit, dass auch die Sparkasse Göttingen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu einer regelmäßigen Ausschüttung zu Gunsten der Allgemeinheit in Stadt und Landkreis übergeht.
Bei einer derartigen Haushaltslage: Wenn nicht jetzt, wann dann?